Seit einiger Zeit fotografiere auch ich Gräber die mir gefallen, aber auch Grabsteine, die bereits zur Entsorgung beiseite gelegt wurden. Wenn Gräber nicht mehr verlängert werden und der Platz für Verstorbene frei wird. Doch wie geht man mit den Daten (Bildern) um? Ich persönlich fotografiere und veröffentliche nur Gräber welche bereits seit längerer Zeit bestehen, Gräber, die vielleicht schon morgen nicht mehr da sein könnten. Dazu habe ich in der SZ vom 21.04.15 einen passenden Artikel gefunden: Der virtuelle Grabstein
Der virtuelle Grabstein
Im „Grabstein-Projekt“ werden Ruhestätten abfotografiert und im Internet veröffentlicht. Das wirft Fragen auf.
Friedhöfe sind Orte der Ruhe und des Gedenkens an geliebte Menschen. Doch waren die Grabstätten ursprünglich für die Ewigkeit gedacht, werden heute viele Gräber nach dem Ende der Liegezeit, oft nach 25 Jahren, abgeräumt.
Mit dem Verschwinden der Grabsteine und ihrer Inschriften beginnt das Vergessen. Das versucht das sogenannte „Grabstein-Projekt“ beim Verein für Computergenealogie mit zu verhindern. Eine entsprechende E-Mail habe in der Gemeindeverwaltung für Irritationen gesorgt, erklärt der Bürgermeister von Gablenz, Dietmar Noack. Darin wurde der Gemeinde mitgeteilt, dass man die Grabsteine auf den Friedhöfen in Gablenz und Kromlau fotografiert habe – und die Bilder in einer Datenbank archiviert werden.
Die Erklärung: So soll das Andenken der Verstorbenen über die Laufzeit der Gräber hinaus gewährleistet werden. Auf telefonische Nachfrage habe ihm der Leiter des Kommunalamts im Landkreis, Karl Ilg, mitgeteilt, dass die Gemeinde nichts dagegen unternehmen könne. Dazu müsste nämlich die Friedhofssatzung geändert werden, was dann aber nur das zukünftige Fotografieren ausschließen könne.
Wenn es sich im ersten Moment auch merkwürdig anhören mag, dass Menschen mit Kameras über Friedhöfe laufen und die Grabanlagen fotografieren – dahinter steckt eine ernsthafte Idee. „Besonders die alten Grabsteine unserer Friedhöfe bieten eine Fülle von Daten aus dem Leben unserer Vorfahren, von Namen großer Familien, von vergangenen Schicksalen, von Hinweisen auf Stilepochen, Materialempfinden, Gepflogenheiten und handwerklichem Geschick“, erklärt Holger G. F. Holthausen. Er ist einer der Gründungsmitglieder des „Grabstein-Projekts“.
Das Projekt ist 2007 von einer kleinen Gruppe Ahnen- und Familienforscher ins Leben gerufen worden. Ziel des Projekts sei es, die Friedhöfe kulturhistorisch zu dokumentieren und zum Andenken an die Verstorbenen nach der Abräumung der Grabstellen zu archivieren, so Holthausen weiter. Die Online-Datenbank soll dabei als wichtige Quelle für die Familiengeschichts- und Heimatforschung dienen. International gibt es bereits ähnliche, teils kommerzielle, Projekte. Die Datenbank des „Grabstein-Projekts“ steht allen Interessierten hingegen kostenlos zur Verfügung. Sie gehört zum Verein für Computergenealogie, der bundesweit rund 3 500 Mitglieder zählt und damit die größte genealogische, also Familiengeschichten erforschende, Vereinigung in Deutschland ist. „Die Fotografen, Fotobearbeiter, Datenerfasser, Korrektoren und Admins arbeiten ehrenamtlich“, sagt Holthausen. Mittlerweile ist die Datenbank auf 770 000 Grabstein-Fotos von rund 2 400 Friedhöfen angewachsen und hat Datensätze zu 1,18 Millionen Personen archiviert. Aktuell wird durch die Mitstreiter des Projekts der größte Parkfriedhof Europas in Hamburg- Ohlsdorf mit rund 240 000 Grabstellen dokumentiert.
Aus Sachsen sind 57 Friedhöfe in der Datenbank erfasst. Neben Gablenz und Kromlau sind darunter auch noch weitere aus der Region. So finden sich beispielsweise auch Fotos von Gräbern aus Bad Muskau, Krauschwitz, Boxberg und Schleife. Prof. Dr. Winfried Müller, Professor für Sächsische Landesgeschichte an der Technischen Universität Dresden und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., bewertet derartige Projekte positiv. Die kulturhistorische Dokumentation von Friedhöfen sowie die Nutzung der Daten für die genealogische Forschung sei grundsätzlich zu begrüßen, erklärt Prof. Dr. Müller. Persönlich sehe er den Nutzen vor allem in der privaten Ahnenforschung und Memorialkultur, also dem Erinnern an Verstorbene, so der Hochschulprofessor.
Eine Verletzung des Datenschutzes stelle das Abfotografieren von Grabsteinen und die Veröffentlichung im Internet nicht dar, erklärt Holthausen. „Die Angaben auf den Grabsteinen sind öffentlich, unterliegen nicht dem Datenschutz und sind durch die Erfassung in der Datenbank nach Nachnamen und Friedhofnamen suchbar“, so der Ahnenforscher.
Aus Rücksicht auf die trauernden Angehörigen wird jedoch das traditionelle Trauerjahr eingehalten. Das heißt, es werden auf der Internetseite keine Grabsteinbilder von Personen veröffentlicht, die im laufenden oder vorhergegangenen Jahr verstorben sind.
Quelle: Sächsische Zeitung Ausgabe Weißwasser vom 21.04.2015